»Vielen Dank, Lieutenant«, sagte Sarah ernst. »Vielen Dank.« Dann nahm sie das glitzernde Silbermedaillon ab, das sie um den Hals trug, und hielt es Schofield hin. »Ich tauche besser nicht damit. Können Sie es für mich bis zu meiner Rückkehr aufbewahren?«
Schofield steckte das Medaillon in seine Tasche. »Gewiss.«
Genau in diesem Moment ertönte ein plötzliches ächzendes Geräusch aus dem Tümpel links von Schofield.
Schofield fuhr herum, gerade rechtzeitig, dass er einen gewaltigen schwarzen Schatten zur Oberfläche des Tümpels steigen sah, inmitten einer Wolke schäumender weißer Blasen. Zunächst hielt Schofield den schwarzen Schatten für einen der Killerwale, der auf der Suche nach weiterer Nahrung in den Tümpel zurückkehrte. Aber gleich, was es war, es schwamm nicht. Es ließ sich einfach immer weiter zur Oberfläche hinauftreiben.
Und dann durchbrach der gewaltige schwarze Körper die Oberfläche mit einem lauten Wusch! Wellen und Blasen schössen auf allen Seiten davon. Weißer Schaum breitete sich ringsumher aus. Schmale Flüsschen aus Blut schlängelten sich durch den Schaum. Der massige schwarze Körper tanzte auf der Oberfläche. Alle an Deck traten einen Schritt vor. Schofield starrte den schwarzen Körper ehrfürchtig an. Es war ein Killerwal.
Aber er war tot. Wirklich und wahrhaftig tot. Der riesige schwarz-weiße Kadaver trieb einfach schlaff im Wasser neben dem Deck. Er war außerdem einer der größeren, möglicherweise sogar das Männchen des Schwarms. Er musste wenigstens zehn Meter lang gewesen sein. Sieben Tonnen schwer.
Zunächst dachte Schofield, dass es der Killerwal sein musste, dem Mother während der Schlacht in den Kopf geschossen hatte - da dies der einzige Wal war, von dem er sicher wus-ste, dass er tot war. Er änderte rasch seine Meinung.
Der tote Wal hatte keine sichtbare Verletzung am Kopf. Derjenige, den Mother erschossen hatte, hätte ein Loch von der Größe eines Basketballs im Schädel gehabt. Die Stirn dieses Wals war unversehrt. Und dann war da noch etwas. Dieser hier war zur Oberfläche getrieben. Ein im Wasser getötetes Tier wird zunächst treiben, bis sich der Körper mit Wasser gefüllt hat. Erst dann wird es hinabsinken. Der Killerwal, den Mother getötet hatte, musste längst auf den Grund gesunken sein. Dieser Wal dahingegen war erst vor kurzem getötet worden.
Der tote Kadaver wälzte sich langsam im Wasser herum. Schofield und die übrigen Marines an Deck starrten ihn wie gebannt an. Und dann drehte er sich langsam mit dem Bauch nach oben, und Schofield sah den weißen Bauch des großen Wals und ihm fiel die Kinnlade herab.
Zwei lange, blutige Schlitze verliefen über die ganze Länge des Walbauchs.
Sie verliefen parallel. Zwei abgerissene, ungleichmäßige Schnitte, die von der Mitte des Walkörpers bis hinauf zur Kehle liefen. Teile der Innereien des Wals waren durch die Schlitze herausgefallen - lange, hässliche, cremefarbene, gewundene Gedärme, die so dick wie der Arm eines Mannes waren.
Es waren auch keine sauberen Schnitte, sah Schofield. Jeder Schlitz war aufgerissen worden. Jemand hatte den Bauch des Wals durchbohrt und dann über die gesamte Körperlänge aufgerissen und die Haut auseinandergezerrt.
Alle auf dem Deck starrten den blutigen Kadaver an und auf allen Gesichtern wurde Begreifen sichtbar.
Da war etwas unten im Wasser.
Etwas, das einen Killerwal getötet hatte.
Schofield holte tief Luft und wandte sich Sarah zu. »Wollen Sie es sich noch einmal überlegen?«, fragte er.
Einige wenige Sekunden lang starrte Sarah den toten Killerwal an. Dann erwiderte sie Schofields Blick.
»Nein«, entgegnete sie. »Auf gar keinen Fall.«
Schofield umschritt nervös das Tümpeldeck. Er war allein.
Er sah auf das Kabel der Winsch, das in der Mitte des Tümpels im Wasser versank. Am Ende dieses Kabels war die Taucherglocke, und in der Taucherglocke waren drei seiner Marines plus Sarah Hensleigh. Das Kabel glitt mit stetiger Geschwindigkeit ins Wasser, so rasch es gehen wollte.
Die Winsch hatte jetzt seit fast einer Stunde die Taucherglocke ins Wasser hinabgelassen. Es war ein langer Weg nach unten, fast ein Kilometer, und Schofield wusste, dass es einige Zeit dauern würde, ehe sie diese Tiefe erreichte.
Schofield stand auf dem verlassenen Deck. Vor zwanzig Minuten hatte er Book, Snake und Rebound nach oben geschickt. Sie sollten erneut versuchen, mit dem transportablen Funkgerät die McMurdo-Station zu erreichen - er musste wissen, wann eine amerikanische Einheit in voller Stärke in Wilkes eintreffen würde.
Jetzt stand er allein auf Deck E. Die Station ringsumher lag schweigend da, abgesehen vom rhythmischen, mechanischen Wummern des Winschmechanismus oben auf Deck C. Das stetige Wumm-Wumm-Wumm der Winsch hatte einen fast einschläfernden Effekt auf ihn.
Schofield zog Sarah Hensleighs Silbermedaillon aus der Tasche. Es glitzerte in dem weißen Neonlicht der Station. Er drehte es in der Hand. Auf der Rückseite war etwas eingraviert...
Und dann ertönte plötzlich ein Geräusch, und Schofields Kopf fuhr herum. Es hatte nur einen Augenblick gedauert, aber Schofield hatte es ganz bestimmt gehört.
Es war eine Stimme gewesen. Eine männliche Stimme. Aber die Stimme hatte...
Französisch gesprochen.
Schofields Blick fiel sogleich auf den VLF-Sender auf dem Deck wenige Meter von ihm entfernt.
Der Sender gab plötzlich einen schrillen Pfeifton von sich. Und dann ertönte die Stimme erneut:
»La hyene, c'est moi, le requin«, sagte die Stimme. »La hye-ne, c'est moi, le requin. Presentez votre rapport. Je renouvele. Presentez votre rapport.«
Rebound, dachte Schofield. Scheiße, ich brauche Rebound. Aber der war mit den anderen draußen und Schofield benötigte jetzt jemanden, der Französisch sprach.
»Rebound«, sagte Schofield in sein Helmmikrofon.
Die Antwort erfolgte augenblicklich, »jawohl, Sir!« Im Hintergrund hörte Schofield den wirbelnden Wind.
»Sprich kein Wort, Rebound. Hör einfach zu, ja?« sagte Schofield und drückte einen Knopf auf seinem Gürtel, der sein Helmmikrofon angeschaltet ließ. Er beugte sich nahe zu dem VLF-Sender, sodass sein Helmmikrofon nahe am Lautsprecher des Senders war.
Die französische Stimme ertönte erneut.
»La hyene. Vous avez trois heures pour presenter votre rapport. Je renouvele. Vous avez trois heures pour presenter votre rapport. Si vous ne le presentez pas lorsque l'heure nous serons contraints de lancer l'engine d'efface. Je renouvele. Si vous ne le presentez pas lorsque l'heure nous serons contraints de lancer l'engine d'efface. C'est moi, le requin. Finis.«
Das Signal brach ab und es folgte ein Schweigen. Als er sich gewiss war, dass die Sendung beendet war, fragte Schofield: »Hast du alles verstanden, Rebound?«
»Das meiste, Sir.«
»Was haben sie gesagt?«
»Sie haben gesagt: Hyäne. Du hast drei Stunden bis zum Bericht. Wenn du bis dahin keinen Bericht abstattest, werden wir gezwungen sein, den ›engine d'efface‹ auszulösen, den Radiergummi.«
»Den Radiergummi«, wiederholte Schofield gleichmütig. »Drei Stunden. Da bist du dir sicher, Rebound?«
Schofield griff beim Sprechen nach seiner Armbanduhr. Es war eine alte Casino- Digitaluhr. Er startete die Stoppuhr. Die Sekunden begannen zu ticken.
»Sehr sicher, Sir. Sie haben alles zweimal gesagt«, meinte Rebound.
»Gute Arbeit, Soldat«, sagte Schofield. »Also schön. Jetzt müssen wir lediglich noch herausbekommen, wo diese Burschen sind...«
»Öh, entschuldigen Sie, Sir.« Es war erneut Rebound.
»Was ist?«
»Sir, ich glaube, ich habe eine Vorstellung, wo sie sein könnten.«
»Wo?«
»Sir, am Ende dieser Sendung, die wir gerade gehört haben, haben sie gesagt: ›C'est moi le requin‹. Nun, mir ist der Anfang der Sendung entgangen. Haben sie das gleich ganz am Anfang gesagt? ›C'est moi le requin‹?«
Schofield wusste es nicht, er sprach kein Französisch. Für ihn hatte sich alles gleich angehört. Er versuchte, die Sendung nochmals im Kopf abzuspielen. »Vielleicht haben sie es gesagt«, meinte er. »Nein, warte, ja. Ja, ich glaube, sie haben das gesagt. Warum?«
»Sir«, entgegnete Rebound, »›le requin‹ ist französisch für ›Hai‹. ›C'est moi le requin‹ bedeutet ›Hier ist Haifisch‹. Wissen Sie, wie ein militärischer Codename. Die französische Einheit hier auf der Station ist ›Hyäne‹ genannt worden und diejenige, die wir gerade gehört haben, ›Haifisch‹. Wissen Sie, was ich glaube, Sir...«
»O verdammt«, meinte Schofield.
»Stimmt genau. Ich glaube, sie sind draußen irgendwo auf dem Wasser. Irgendwo vor der Küste. Ich wette eine Million Kröten mit Ihnen, dass ›Haifisch‹ ein Kriegsschiff oder so was ist, das vor der Küste der Antarktis kreuzt.«
»O verdammt!«, wiederholte Schofield, und diesmal mit Gefühl.
Es ergab Sinn, dass derjenige, der diese Botschaft gesendet hatte, auf irgendeinem Schiff war. Und nicht bloß wegen seines Codenamens. Wie Schofield wusste, wurden VLF-Sender wegen ihrer außergewöhnlich langen Wellen gewöhnlich von Schiffen oder Unterseebooten draußen mitten im Ozean verwendet. Deswegen hatte das französische Kommando den VLF-Sender mitgebracht. Um in Kontakt mit ihrem Kriegsschiff vor der Küste zu bleiben.
Schofield bekam ein übles Gefühl im Magen.
Die Aussicht auf eine Fregatte oder einen Zerstörer, der ein-hundertfünfzig Kilometer vor der Küste auf dem Ozean patrouillierte, war bedrohlich. Sehr bedrohlich. Insbesondere, wenn er mit irgendeiner Waffe - aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Batterie Cruise Missiles mit Atomsprengköpfen - auf die Eisstation Wilkes zielte.
Es war Schofield nie in den Sinn gekommen, dass die Franzosen vielleicht keinen Radiergummi mitbringen, sondern statt dessen bei einem Agenten draußen zurücklassen könnten - wie einem Zerstörer vor der Küste -, zusammen mit der Anweisung, auf die Station zu feuern, falls dieser Zerstörer nicht innerhalb einer vorgegebenen Zeit einen Bericht erhielt.
Scheiße, dachte Schofield. Scheiße. Scheiße. Scheiße. Es gab nur zwei Dinge auf der Welt, die den Abschuss dieses Radiergummis verhindern könnten. Das eine war ein Bericht der zwölf toten Franzosen innerhalb der nächsten drei Stunden. Das würde wohl kaum geschehen.
Was bedeutete, dass die zweite Möglichkeit die einzige Möglichkeit wäre.
Schofield musste mit den amerikanischen Truppen auf der Station McMurdo Kontakt bekommen. Und nicht bloß herausfinden, wann die amerikanische Verstärkung in Wilkes einträfe. Nein, jetzt musste er den Marines auf McMurdo von einem französischen Kriegsschiff erzählen, das irgendwo vor der Küste kreuzte und eine Batterie Cruise Missiles auf die Eisstation Wilkes gerichtet hielte. Dann läge es an den Leuten auf McMurdo, dieses Kriegsschiff auszuschalten - innerhalb von drei Stunden.
Schofield schaltete erneut sein Mikrofon ein. »Book, hast du alles mitgehört?« »Ja«, sagte Buck Rileys Stimme. »Irgendeinen Erfolg bei McMurdo?« »Noch nicht.«
»Bleib dran«, sagte Schofield. »Immer und immer wieder. Bis du sie an die Strippe kriegst. Gentlemen, der Einsatz bei diesem Spiel ist gerade in die Höhe gegangen. Wenn wir nicht in weniger als drei Stunden zu McMurdo durchkommen, werden wir allesamt verdampft.«
»Scarecrow, Fox hier«, sagte Gants Stimme. »Ich wiederhole, Scarecrow, Fox hier. Hee, Scarecrow? Bist du da draußen?«
Schofield war draußen auf dem Tümpeldeck auf Deck E und sah zu, wie das Kabel in den Tümpel hinabsank, und dachte dabei an Cruise Missiles. Es war etwa zehn Minuten her, seitdem er die Sendung des französischen Schiffs gehört hatte, »Haifisch«. Book, Rebound und Snake waren noch immer draußen und versuchten, McMurdo hereinzubekommen.
Schofield schaltete sein Mikrofon ein. »Ich höre dich, Fox. Wie geht's euch da unten?«
»Wir erreichen eintausend Meter. Bereiten uns vor, das Kabel zu stoppen.«
Es folgte eine kurze Pause.
»Okay. Wir stoppen das Kabel... jetzt!«
Als Gant das Wort ›jetzt‹ sagte, kam das Kabel, das ins Wasser lief, ruckartig zum Stehen. Gant hatte es aus dem Innern der Taucherglocke angehalten.
»Scarecrow, ich habe 14.10 Uhr«, sagte Gant. »Bitte bestätigen!«
»Ich bestätige, die Zeit ist 14.10 Uhr, Fox«, erwiderte Schofield. Es war Standard beim Tieftauchen, die Zeit zu bestätigen, zu der ein Tauchgang begann. Schofield wusste nicht, dass er genau jener Prozedur folgte, der die Wissenschaftler von Wilkes nur zweieinhalb Tage zuvor gefolgt waren.
»Bestätige, Zeit ist 14.10 Uhr. Gehen zu Selbstversorgung über. Bereiten uns auf das Verlassen der Taucherglocke vor.«
Gant hielt Schofield beim Tauchgang auf dem Laufenden.
Die vier Taucher - Gant, Montana, Santa Cruz und Sarah Hensleigh - gingen ohne Zwischenfall zur Selbstversorgung mit Luft über und verließen die Taucherglocke. Wenige Minuten später berichtete Gant, dass sie den Eingang zu dem Unterwassereistunnel gefunden hatten und dass sie den Aufstieg begannen.
Schofield schritt weiterhin um das Deck, tief in Gedanken versunken.
Er dachte über die Taucher von Wilkes nach, die unten in der Höhle verschwunden waren, über die Höhle selbst und was darin zu finden war, über die Franzosen und ihre Bemühung, im Handstreich das zu bekommen, was dort unten war, über Radiergummis, die von Kriegsschiffen vor der Küste abgefeuert wurden, über die Möglichkeit, dass einer seiner eigenen Männer Samurai umgebracht hatte und über Sarah Hensleighs Lächeln. Es war alles zu viel.
Sein Helmfunk wurde knisternd lebendig. »Sir, hier Book.«
»Glück gehabt?«
»Nicht das geringste bisschen, Sir.«
Während der letzten Viertelstunde hatten Book, Snake und Rebound versucht, Station McMurdo über den tragbaren Sender der Einheit hereinzubekommen. Sie versuchten es draußen vor dem Haupteingang der Station, als ob sie das Signal außerhalb des Gebäudes besser durchbekommen hätten.
»Interferenzen?«, fragte Schofield.
»Bergeweise«, entgegnete Book traurig.
Einen Augenblick lang dachte Schofield nach. Dann sagte er:
»Book. Lasst die Sache sein und kommt wieder zurück. Ich möchte, dass ihr die Wissenschaftler sucht, die noch hier sind. Ich glaube, sie sind in diesem Aufenthaltsraum auf Deck B. Seht nach, ob ihr herausfinden könnt, ob irgendeinem das hiesige Funkgerät vertraut ist.«
»In Ordnung, Sir.«
Books Stimme schaltete sich ab und Schofields Funkgerät schwieg wieder. Schofield starrte den Wassertümpel an der Basis der Station an und nahm seinen Gedankenfaden wieder auf.
Er dachte über Samurais Tod nach und wer ihn verursacht haben konnte. Im Augenblick vertraute er lediglich zwei Menschen: Montana und Sarah Hensleigh, da sie bei
ihm gewesen waren, als Samurai ermordet worden war. Sie waren die beiden einzigen Menschen, von denen Schofield sicher wusste, dass sie in Samurais Ermordung nicht verstrickt waren. Soweit es alle übrigen betraf, standen sie allesamt unter Verdacht.
Weswegen sich Schofield dazu entschlossen hatte, Book, Snake und Rebound beisammenzuhalten. Wenn einer von ihnen der Mörder war, wäre er außerstande, wieder zu morden, so lange die beiden anderen dabei wären...
Plötzlich hatte Schofield einen neuen Gedanken und er schaltete wieder sein Mikrofon ein. »Book, seid ihr noch immer dort draußen?«
»Jawohl, Sir.«
»Book, während ihr unten auf Deck B seid, möchte ich, dass ihr diese Wissenschaftler noch etwas fragt«, sagte Schofield. »Ich möchte, dass ihr sie fragt, ob einer von denen was vom Wetter versteht.«
Der Funkraum der Eisstation Wilkes liegt in der südöstlichen Ecke von Deck A, direkt auf der anderen Seite des Schachts zum Speisesaal. Er beherbergt die Satelliten- Telekommunikationsausrüstung und den Kurzwellensender. Vier Sendeplätze - ein jeder bestand aus einem Mikrofon, einem Computermonitor nebst Tastatur sowie einigen Frequenzreglern -waren im Raum, zwei auf jeder Seite.
Abby Sinclair saß auf einem der Plätze, als Schofield den Funkraum betrat.
Das Erste, was Schofield auffiel, war, dass Abby Sinclair die jüngsten Ereignisse auf der Eisstation Wilkes gar nicht gut verkraftet hatte. Abby war eine hübsche Frau Ende dreißig mit langem, fransigen braunen Haar und großen braunen Augen. Lange Streifen schwarzer Schminke liefen ihr von beiden Augen herab. Sie erinnerten Schofield an die beiden Narben, die ihm über die eigenen Augen liefen - jetzt wieder hinter seiner Brille mit den undurchsichtigen, silberfarbenen Gläsern verborgen.
Gleich neben Abby standen die drei anderen Marines - Riley, Rebound und Snake. Abby Sinclair war die einzige Wissenschaftlerin im Raum.
Schofield wandte sich an Book. »Niemand versteht was vom Wetter?«
»Im Gegenteil«, erwiderte Book. »Sie haben Glück. Lieutenant Shane Schofield, darf ich Ihnen Miss Abby Sinclair vorstellen. Miss Sinclair ist sowohl die Funkexpertin als auch die Meteorologin der Station.«
»Eigentlich«, meinte Abby Sinclair, »bin ich nicht wirklich die Funkexpertin. Das war Carl Price, aber er... ist unten in der Höhle verschwunden. Ich vertrete ihn nur am Funkgerät, doch ich glaube, ich bin's jetzt wohl.«
Schofield lächelte sie zuversichtlich an. »Das reicht mir völlig aus, Miss Sinclair. Ist es okay, wenn ich Sie Abby nenne?«
Sie nickte.
»Also gut«, sagte Schofield. »Abby, ich habe zwei Probleme und ich hoffe, Sie können mir bei beiden helfen. Ich muss so bald wie möglich mit meinen Vorgesetzten auf McMurdo in Kontakt treten. Ich muss ihnen mitteilen, was hier vorgefallen ist, sodass sie die Kavallerie schicken können, wenn sie das nicht bereits schon getan haben. Nun, wir haben versucht, McMurdo über unseren tragbaren Funk zu erreichen, aber wir kommen nicht durch. Frage eins: Funktioniert der Funk hier?«
Abby lächelte schwach. »Er hat funktioniert. Ich meine, bevor das alles angefangen hat. Aber dann hat es diesen Flare gegeben, der alle unsere Sendungen unterbrochen hat. Letztlich spielt das jedoch keine Rolle, weil unsere Antenne vom Sturm umgeknickt worden ist und wir nie die Möglichkeit hatten, sie zu reparieren.«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Schofield. »Das können wir hinkriegen.«
Etwas anderes jedoch, das sie gesagt hatte, machte ihn besorgt. Schofield hatte auf dem Weg nach Wilkes etwas vom Phänomen »Flare« gehört, aber er wusste nicht genau, was das war. Er wusste lediglich, dass es das elektromagnetische Spektrum störte und daher jede Art von Funkverkehr unterband.
»Erzählen Sie mir etwas über Flares«, sagte er zu Abby.